VW-Krise: Weihnachtsgeschenk oder Anfang vom Ende?
Zum jubeln ist der offenbar genau minutiös geplante Kompromiss nach Drehbuch in der VW-Krise nicht. Es ist ein Tiefschlag für den Wirtschaftsstandort Deutschland, ganz besonders für das Werk Wolfsburg und damit für die ganze Region. Allein bei Volkswagen werden bis zum Jahr 2030 deutschlandweit rund 35.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Tausende Stellen bei Zulieferern und Dienstleistern, die nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen, oben drauf. Die Massenentlassungen sind schon länger angekündigt. Besonders hart trifft es die Entwicklungsdienstleister wie Bertrandt, EDAG, IAV - um nur die größten aufzuzählen.
Die Produktionskapazitäten in Deutschland sollen um rund 750.000 Fahrzeuge reduziert werden. Die durch die Politik geschaffenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland scheinen so schlecht zu sein, dass selbst eine Ikone wie der Golf, der eine ganze Generation geprägt hat, sein "Made in Germany" verliert. "Golfsburg" ist aus den Köpfen des Managements schon lange gelöscht. Eine Benachteiligung des Golfs und des Werkes Wolfsburg ist seit mehreren Jahren für Jedermann erkennbar. Nicht nur die Region, sondern der ganze Wirtschaftsstandort Deutschland verliert an Bedeutung - auch im Produktions- und Entwicklungsnetzwerk von Volkswagen.
Das Volkswagen nicht mehr in die Zukunft des Standortes Deutschland investieren will, zeigt sich für mich auch in der deutlich reduzierten Zahl der jährlich einzustellenden Auszubildenden. Insgesamt soll die Zahl von derzeit 1400 auf 600 reduziert werden. Wie hoch die Reduzierung in unserer Region geplant ist, steht noch nicht fest. Finden junge Menschen in unserer Region keinen attraktiven Ausbildungsplatz, wandern diese ab. Der demografische Wandel in der Region dürfte wieder an Bedeutung gewinnen.
Statt neuer Modelle soll jetzt doch der ID3 in Wolfsburg produziert werden. Zumindest im Volkswagen Standort im Gewerbegebiet Triangel dürfte durch die Entscheidung etwas Leben einkehren und der Gemeinde Sassenburg zumindest einen Teil der erhofften Steuereinnahmen bescheren. War das der Grund für die Geheimniskrämerei um den Standort Triangel, verbunden mit der Entscheidung, trotz unbekannter Nutzung die Erweiterung der Flächen anzuschieben? Das wirft noch einmal ein ganz anderes Licht auf den vor Weihnachten stolz verkündeten Kompromiss! War die Produktionsstrategie und Werksbelegung intern schon im April/Mai 2024 abgestimmt?
Aber wird der ID3 der Heilsbringer für das Werk Wolfsburg sein? Nein! Die Verkaufszahlen der ganzen ID Familie liegen weit hinter den Erwartungen zurück. Zu laut hallen die Software- und Qualitätsprobleme der ersten Generation im Markt nach. Die Marke ID ist dadurch eher negativ behaftet, weil die ersten IDs dem eigenen Volkswagen Anspruch nicht genügten. Der ID3 wird niemals die Stückzahl des Golfs in Wolfsburg erreichen.
Welche harten Zugeständnisse gibt es beim Management und Vorstand für diese eklatanten Fehler? Über Details wird geschwiegen. Wieder sind es nur die Beschäftigten, die harte Einschnitte verkraften müssen. Allein schon die vereinbarte Nullrunde über zwei Jahre bedeutet einen herben Verlust an Kaufkraft in der Region.
Vergleicht man das jetzt aufgestellte Szenario mit der Entwicklung bei Opel und Ford in Deutschland, ist der Kompromiss eher der Anfang vom Ende als ein chancenreicher Neubeginn. Die Rahmenbedingungen in Deutschland sind dafür einfach zu schlecht. Hoffentlich liege ich mit meiner Einschätzung nicht richtig!
Kreistagsabgeordneter
Andreas Kautzsch
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